Jurist schreibt aufbauenden Brief an gescholtene Beamte
Richter stärkt Lippes Polizisten den Rücken
Detmold (WB). Ein Detmolder Strafrichter hat sich mit einem persönlichen Brief an Polizisten aus Lippe gewandt und ihnen Mut gemacht: »Sie sind die Guten!«
Von Christian AlthoffNach den Ermittlungspannen im Fall des mutmaßlich tausendfachen Missbrauchs auf dem Campingplatz »Eichwald« in Lügde sieht sich die lippische Polizei unter Generalverdacht. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) spricht von Polizeiversagen, Beamte werden in der Öffentlichkeit angefeindet und lächerlich gemacht, und die Behörde bekommt beleidigende Anrufe.
Ziel: Beamte aufbauen, denn »die Behörde liegt am Boden«
»Es ist nicht gut, wenn die Polizei und die übrige Gesellschaft so auseinanderdriften«, sagt der Richter. »In dieser Situation wollte ich die vielen Beamten, die jeden Tag gute Arbeit leisten, aufbauen. Denn die Behörde liegt am Boden.« Er habe die Zeilen nicht als Richter, sondern als Privatperson verfasst, aber seine jahrelange »gute berufliche Erfahrung« mit Polizisten sei der Auslöser für den Brief gewesen.
»Liebe Kolleginnen und Kollegen der lippischen Polizei«, heißt es eingangs. Dann schreibt der Richter, bei der derzeitigen medialen Berichterstattung werde außer Acht gelassen, dass die Ursache der Missbrauchstaten bei den Tätern, ihren Gehilfen und den Abnehmern der Filme liege. »Erst danach kann man die Rolle insbesondere der Jugendämter und auch einzelner Polizisten in den Blick nehmen.«
Man solle aber erst einmal abwarten, was von den Vorwürfen übrig bleibe. Die Beteiligten machten sich selbst schon genügend Vorwürfe und fragten sich, ob sie vielleicht Hinweisen nicht intensiv genug nachgegangen seien. Fehler seien zum Teil aber auch »hausgemacht«, weil man die lippische Polizei über Jahre habe »ausbluten« lassen.
Strafrichter nimmt auch die Medien und Politiker ins Visier
Medien überböten sich darin, vermeintliche Fehlleistungen von Polizisten aufdecken zu wollen, schreibt der Richter weiter, und sie würden dabei aus dem politischen Raum unterstützt. Dabei werde übersehen, dass das Ansehen jedes einzelnen lippischen Polizisten extremen Schaden nehme und die Arbeit weiter erschwert werde.
»Ich kann Ihnen sagen, dass ich die lippischen Polizisten stets als sehr gute und engagierte Ermittler kennengelernt habe«, heißt es in dem Brief. »Die Arbeitsergebnisse stimmen, und die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Justiz klappt für meine Begriffe sehr gut.« Er wünsche den Polizisten, dass sie sich in der derzeitigen Situation nicht unterkriegen ließen und weiter selbstbewusst und engagiert arbeiteten. »Dazu haben sie meiner Meinung nach allen Grund: Sie sind die Guten!«
E-Mail an 20 Polizisten verschickt, Nachricht verbreitet sich sei Tagen weiter
Der Strafrichter sagte, er habe den Brief als E-Mail an etwa 20 Polizisten geschickt. »Meine Äußerungen waren eigentlich nicht für die Öffentlichkeit gedacht.« Doch das Schreiben wird seit Tagen von begeisterten Empfängern per Mail und WhatsApp weiterverbreitet. Ein Polizist: »Einfach sensationell, dass sich dieser Richter so für uns einsetzt. Nach dem, was wir seit Wochen erleben, hat das vielen in der Behörde richtig gutgetan.« Einige Polizisten haben dem Richter inzwischen schriftlich gedankt.
Zum Fallstrick könnte der Brief allerdings werden, sollte der Strafrichter beruflich mit dem Missbrauchsfall zu tun bekommen. Dann könnten Verteidiger versuchen, ihm eine Parteilichkeit zu unterstellen.
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