Radfahrer fordern mehr Raum, Autofahrer klagen über fehlende Parkplätze
Es wird eng auf Paderborns Straßen
Paderborn (WB). Die vorhandene Verkehrsfläche muss anders verteilt werden. Das fordert die Initiative für Radfahrende in Paderborn (INI). Im Bereich der Rathenaustraße ist das jetzt passiert. Und prompt gibt es Ärger – mit Anliegern.
Von Ingo Schmitz und Maike StahlZuletzt hatte die Grünen-Ratsfraktion gefordert, dass im Riemekeviertel mehr für Radfahrer getan werden müsse. Vor allem die Rathenaustraße stand immer wieder in der Kritik. Weil sich hier parkende sowie fahrende Autos und Radfahrer die Fahrbahnbreite teilen, wird es für alle eng.
Darauf hat die Stadt Paderborn reagiert und auf der Rathenaustraße zwischen Jahnstraße und Neuhäuser Straße einen Schutzstreifen entlang der dort parkenden Autos eingerichtet. Da die Fahrbahnbreite begrenzt ist, fallen dafür Parkplätze auf der Gegenfahrbahn Richtung Riemekestraße weg. Nach Angaben der Stadt soll es sich um acht bis zehn Parkplätze handeln, die nun fehlen. »Diese Maßnahme im Rahmen der fahrradfreundlichen Stadt dient nicht nur der optimalen Ausnutzung des Verkehrsraums, sondern auch der Sicherheit der Fahrradfahrer«, stellt Pressesprecher Jens Reinhardt fest.
Pro Grün will autofreie Innenstadt
Nach Angaben von Anwohner Oliver Stähr seien die Betroffenen über die Maßnahme der Stadt nicht ausreichend informiert worden. »Wir haben überhaupt keine Chance, wo sollen wir die Autos nun abstellen?«, fragt Stähr. Einen Ersatzparkplatz gebe es für die Anwohner nicht.
Größtes Ärgernis dabei sei, dass die Radfahrer den neuen Schutzstreifen nicht mal nutzen würden, sondern über den Gehweg führen – was dem ein oder anderen bereits ein Knöllchen eingebracht habe. Die Radfahr-Initiative, eine Projektgruppe des Umweltschutzvereins Pro Grün, sieht das naturgemäß anders. Langfristiges Ziel müsse eine autofreie Innenstadt sein, fordert die Initiative, die seit rund einem Jahr gemeinsam mit der Stadt Grundsätze für eine sichere Infrastruktur im Bereich Radverkehr erarbeitet. Die Mitglieder arbeiten in diversen Gremien und am Integrierten Mobilitätskonzept mit. Dieses nimmt alle Verkehrsteilnehmer in den Blick und will unter anderem dem Radverkehr mehr Gewicht in allen Planungsbereichen verleihen.
Die Probleme im Bereich Radverkehr sind aus Sicht der Initiative vielschichtig: Fahrradstraßen, die zugeparkt werden dürfen, überlange Rotphasen an Ampeln, ständige Wechsel zwischen Radwegen, Seitenstreifen und Straßenbefahrung, schlechte Wegequalität und Unklarheiten zur Benutzungspflicht von Radwegen.
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Wenn wir unsere Stadt lebenswert erhalten wollen, muss der motorisierte Kurzstreckenverkehr verringert werden.“
Die Initiative bemängelt außerdem ein allgemein fehlendes Bewusstsein für den Radverkehr. Die Einsicht, dass Radfahrer auf die Fahrbahn gehören, habe sich immer noch nicht durchgesetzt. Damit verbunden sei auch ein fehlendes Verständnis dafür, wie gefährdet Radfahrer oft seien. So können Fahrrad-Schutzstreifen, die direkt neben Auto-Parkstreifen verlaufen, zur großen Gefahr werden, wenn beispielsweise eine Autotür unvorsichtig geöffnet wird. »Im letzten Fahrrad-Klimatest ist Paderborn leider deutlich zurückgefallen – es ist Zeit für einen echten Perspektivenwechsel. Wenn wir unsere Stadt lebenswert erhalten wollen, muss der motorisierte Kurzstreckenverkehr verringert werden zugunsten des Fahrrad-/Fußgängerverkehrs und des ÖPNV«, fordert die Initiative. Dafür sei es erforderlich, die Verkehrsfläche anders zu verteilen – zum Beispiel, indem vierspurige Straßen wie die Detmolder-, Neuhäuser- und Bahnhofstraße zu zweispurigen zurückgebaut würden. Dabei seien sie sich durchaus bewusst, wie befangen die Politik vorgehe, wenn lieb gewonnene Autofahrer-Gewohnheiten betroffen sind, sagen die Radler.
Initiative trifft sich jeden dritten Mittwoch
Um die Menschen vom Umstieg zu überzeugen, müsse der Radverkehr positiv besetzt sein. Dazu gehörten auch gute Abstellanlagen für (Lasten-)Fahrräder beim Einzelhandel und in der gesamten Stadt. Ein wesentlicher Gesichtspunkt werde bei Diskussionen rund um eine gute Infrastruktur gerne vergessen: Radfahren mache Spaß, sei gesund und nicht gefährlich. Selbst bei schlechter Radinfrastruktur übersteige der Nutzen des Radfahrens die Risiken. Mit guter Infrastruktur sei auch die gefühlte Sicherheit größer. Gefahren für Radfahrer gingen meistens von schweren und zu schnellen Kraftfahrzeugen aus, besonders dann, wenn der Kraftfahrer abgelenkt oder überfordert sei. Deshalb müssten Radfahrer vom Autoverkehr getrennt werden oder dessen Geschwindigkeit stark beschränkt werden.
Weitere Forderungen der Initiative sind eine gerechte Verteilung der Parkflächen, Abschaffung der Ungleichbehandlung bei den Ampelschaltungen und eine neue Aufteilung der Verkehrsflächen. Langfristiges Ziel müsse eine autofreie Innenstadt sein. Die Treffen der Initiative für Radfahrende finden in der Regel am dritten Mittwoch im Monat um 19.30 Uhr im Forum Ferdinandstraße statt. Weitere Informationen gibt es im Internet (www.radalarm.de).
Kommentar von Maike Stahl
Für sich genommen sind die Anliegen der verschiedenen Verkehrsteilnehmer berechtigt und nachvollziehbar. Radfahrer wollen einen Raum, in dem sie sicher unterwegs sein können. Autofahrer wünschen sich einen halbwegs nah zur Wohnung gelegenen Platz, an dem sie ihr Fahrzeug parken können. Nicht nur an der Rathenaustraße wird deutlich, wie schwierig es im vorhandenen, begrenzten Verkehrsraum ist, diese Wünsche gleichermaßen angemessen zu berücksichtigen – erinnert sei an die Diskussionen zum Radverkehr in der Bahnhofstraße. Das Integrierte Mobilitätskonzept dürfte nicht nur in dieser Hinsicht eine Quadratur des Kreises werden. Entsprechend unverzichtbar ist es aber als Rahmen für die Zukunft, denn Flickwerk wird niemand zufrieden stellen.