Beobachtungsposten in Bad Wünnenberg registriert Asteroiden, Kometen und Schrott
Kamera sucht nach Gefahren aus dem All
Bad Wünnenberg (WB). Eine unscheinbare Kamera auf einem Scheunendach im Bad Wünnenberger Ortsteil Fürstenberg könnte die Menschen im Paderborner Land vor beträchtlichen Schäden durch Asteroiden, Kometen, Feuerkugeln und Weltraumschrott bewahren. Die All-Sky-Video-Kamera vom Typ Fripon scannt nach ihnen den Himmel ab.
Von Dietmar KemperDie Bilder der Kamera werden im Rahmen des Fireball Recovery and Inter-Planetary Observation Networks (Fripon) in Marseille ausgewertet. In Deutschland gebe es solche Kameras bislang nur in Oldenburg, Stralsund, auf Spiekeroog und in Schwandorf im Bayerischen Wald, sagt Antonius Monkos, der Ehrenvorsitzende des Förderkreises für Kultur, Geschichte und Natur im Sintfeld. Der 58-Jährige ergänzt: »Die Kamera hat bereits einen Meteor entdeckt.«
Warum steht die extrem leistungsstarke, hochauflösende Technik ausgerechnet in Fürstenberg? Das hat mit dem gebürtigen Fürstenberger und ehemaligen Physiker der Universität Oldenburg, Gerhard Drolshagen, zu tun. Das ehemalige Mitglied der europäischen Raumfahrtbehörde ESA forschte intensiv über Asteroiden, einer ist sogar nach ihm benannt. Drolshagen, mit 66 Jahren inzwischen im Ruhestand, leitete in Oldenburg die Forschergruppe, die sich mit Strahlenphysik und Weltraumumgebung befasst, und kam schließlich auf die Idee, Fürstenberg in das Weltraumüberwachungsprojekt mit einzubeziehen.
Abstand von 150 Kilometern
Sein Schwager, der Dorf-Forscher Gerhard Henkel, erzählt: »Gerhard hängt an Fürstenberg. Er kommt vier Mal im Jahr hierhin zurück, um seine Schwester zu besuchen und Doppelkopf zu spielen. Wir haben ihn gefragt, ob er nicht etwas für Fürstenberg tun könne.« Henkel weiß, dass sich Drolshagen schon als Junge für den Himmel interessierte und die Begeisterung wuchs, als er von den Eltern zu Weihnachten ein Teleskop geschenkt bekam.
Drolshagen hält sein Fürstenberg deswegen als Standort für geeignet, weil zwischen den Kameras möglichst nur ein Abstand von 150 Kilometern sein sollte und es in dem Ort mit 2780 Einwohnern in der Mitte Deutschlands keinen Lichtsmog gibt. Die nächste Kamera soll in Hannover installiert werden. Der Förderkreis für Kultur, Geschichte und Natur im Sintfeld ist Vertragspartner der Uni Oldenburg, die das Projekt der französischen Wissenschaftler in Deutschland koordiniert. Zum Frühwarnsystem gehören europaweit inzwischen 110 Kameras.
Winkeleisen direkt an die Wand
Der Förderkreis mit 80 Mitgliedern stellt das Gebäude und die Infrastruktur zur Verfügung und bezahlte mehr als 1000 Euro aus eigener Tasche für die Installation des Datennetzes mit einem internen Internet und einem Router. An die Technik darf kein Staub kommen und die Temperatur in dem Raum muss konstant sein. Die Kamera selbst wurde mit einem Winkeleisen direkt an einer Wand einer ehemaligen Scheune angebracht; sie ist vor Wind und Erschütterungen bestmöglich geschützt.
Warum macht sich der Förderkreis so viel Mühe? »Wir katapultieren uns weg von der altbackenen Heimatforschung«, antwortet Antonius Monkos und freut sich: »Da hält uns jemand für kompetent, dass wir das betreuen können. Und wir sind es professionell angegangen.« Dorfforscher Henkel, ein Gründungsmitglied des Förderkreises, betont: »Etwas Besseres kann Dörfern nicht passieren. Das Land lebt und zeigt, dass es bereit ist, sich mit Dingen zu beschäftigen, die die Menschheit bewegen.« In Fürstenberg sei eine Infotafel zu dem Projekt geplant, erzählen die beiden und erhoffen sich einen höheren Bekanntheitsgrad für ihr Dorf.
»Evakuierung rechtzeitig vorbereiten«
Die unspektakulär aussehende Kamera, die so viel gekostet hat »wie ein Kleinwagen« (Monkos), soll helle Meteore, Asteroiden und Feuerkugeln dokumentieren und den Wissenschaftlern dabei helfen, die Umlaufbahn zu berechnen und die mögliche Einschlagstelle vorherzusagen. »Es ist gut, zu wissen, wenn da was kommt, dann könnte man die Evakuierung rechtzeitig vorbereiten«, sagt Antonius Monkos. Die Kamera in Fürstenberg soll in erster Linie Bilder von Feuerkugeln, also besonders hellen Sternschnuppen, liefern und zu neuen Erkenntnissen beitragen. Aber auch Asteroide, die kleineren Meteoride, Kometen (Schweifsterne) und Weltraumschrott hat sie im Blick.
Sind Bruchstücke größer als zehn oder 20 Meter, können sie durch die bei der Explosion in der Erdatmosphäre frei werdende Druckwelle oder beim Aufschlag auf dem Boden beträchtlichen Schaden anrichten, weiß Gerhard Drolshagen: »Es sind mehr als 800 Objekte bekannt, die größer als ein Meter sind und von denen man nicht ausschließen kann, dass sie in den nächsten 100 Jahren auf die Erde treffen.« Drolshagen erinnert an den 20 Meter großen Asteroiden, der im Februar 2013 im russischen Tscheljabinsk niederging. Dadurch wurden 1500 Menschen verletzt.
Was kann man gegen gefährliche Asteroiden tun? Die NASA plane ein Experiment, bei dem ein solcher Asteroid mit einem Satelliten beschossen wird, um ihm einen kleinen Schubs zu geben – mit dem Ziel, dass er an der Erde vorbeifliegt. Angeblich könnte ein Himmelskörper Ende August oder Anfang September 2026 auf die Erde stürzen. Als ein Mann aus Fürstenberg bei einem Vortrag von Drolshagen davon erfuhr, kommentierte er: »Das geht aber nicht, da ist Kreisschützenfest.«