In Bad Salzuflen lässt ein Sicherheitsdienst Mieter nicht mehr ins Haus
„... und raus bist du.”
Bad Salzuflen (WB). Als Maurer Peter K. (35) am letzten Donnerstag aus der Stadt kam, war das Haus, in dem er ein Zimmer bewohnt, mit einem Gitterzaun abgesperrt. Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes stellten sich ihm in den Weg und erklärten, dass er hier nicht mehr gemeldet sei und deshalb nicht mehr hinein dürfe. Peter S. glaubte an ein Versehen – bis er erfuhr, dass auch andere Mieter abgewiesen wurden.
Von Christian AlthoffEs ist ein ungewöhnlicher Streit, der mehrere Menschen von heute auf morgen wohnungslos gemacht hat und jetzt das Amtsgericht in Lemgo beschäftigt. Im Zentrum des Falls steht ein altes Haus mit Jugendstilelementen in einer bevorzugten Bad Salzufler Wohngegend, das einer Frau aus dem Ruhrgebiet gehört. Ihr Vater hatte das Haus lange an eine Frau verpachtet. Die vermietete die etwa zehn Zimmer der früheren Villa an Untermieter – zu Warmmieten zwischen 300 und 450 Euro. Ein Mann sagt, er wohne schon seit 20 Jahren dort. „Ich kann mir nichts anderes leisten.“
Kein Luxus
Es gibt keinen Luxus in dem Haus. Alle Mieter teilen sich ein Bad, und sie kochen in ihren Zimmern. Es sind Hartz-IV- oder Sozialhilfeempfänger, für die das Jobcenter oder das Sozialamt die Miete zahlt. Es sind aber auch berufstätige Menschen, die mit wenig Geld auskommen müssen. Alle Mietverträge wurden mündlich geschlossen, was den Ämtern auch reichte, denn die Vermieterin hatte Mietbescheinigungen ausgestellt.
Vor zwei Jahren verkaufte die Besitzerin die Immobilie, doch sollte die Eigentumsübergabe erst stattfinden, wenn das Haus geräumt ist. Die Besitzerin kündigte also ihrer Pächterin, und den Untermietern wurde nach eigenen Angaben im November 2019 mitgeteilt, dass das Haus im Dezember abgerissen werde. „Das war ein Schock“, sagt Frank N. (46), der in Gastronomie arbeitet. „Das Haus wurde dann doch nicht abgerissen, aber die Stadtwerke haben uns im Dezember Strom, Gas und Wasser abgestellt.“ Rechtsanwalt Felix Meißner aus Bielefeld erwirkte damals einen Einstweilige Verfügung, und die Stadtwerke mussten wieder liefern. Frank N.: „Im Januar fiel die Heizung dann erneut aus. Diesmal hatte jemand den Außenfühler abgerissen.“
„Keine Kündigung bekommen“
Eine Kündigung, das beteuern die Mieter, habe bis heute niemand bekommen. Stattdessen schickte die Eigentümerin eine Namensliste an die Stadt Bad Salzuflen und teilte sinngemäß mit, diese Menschen wohnten illegal in dem Haus und müssten abgemeldet werden. Die Stadt soll die Frau darauf hingewiesen haben, dass das so nicht gehe. Daraufhin bekam die Stadtverwaltung eine kürzere Liste mit Namen von Menschen, die dort angeblich nicht mehr wohnten. Die Stadt vertraute der Hausbesitzerin, und meldete einige Mieter ab – darunter auch Maurer Peter K.
Ein paar Tage später standen Sicherheitsleute vor dem Haus, die keinen der Abgemeldeten mehr hineinließen. Die riefen die Polizei, doch die Beamten sahen keinen Möglichkeit, einzuschreiten. „Weil die betroffenen Leute dort ja nicht mehr gemeldet waren“, sagt Frank N.
Heimlich zum Schalfen ins Haus geschlichen
Einige Bewohner drückten sich daraufhin durch Lücken im Bauzaun und wurden von anderen Mietern durch die Hintertür hereingelassen, weil sie keinen anderen Platz zum Schlafen hatten. Andere wie Peter K. kamen vorübergehend bei einem Verwandten unter.
Peter K. beantrage am Freitag beim Amtsgericht Lemgo eine Einstweilige Verfügung, um wieder in sein Zimmer zu kommen, und auch Sarah K. (24) und ihr Freund David H. (24) zogen vor Gericht. Am Mittwochmittag saßen die drei in Saal 202 der Hausbesitzerin gegenüber, die sie zum ersten Mal sahen. Vom Richter auf den Zaun und den Sicherheitsdienst angesprochen, sagte die Frau, sie müsse ihr Eigentum schließlich schützen. Es handele sich nicht um Mieter, sondern um Hausbesetzer. Es gebe keinen Mietvertrag, und sie habe seit Herbst auch kein Geld mehr bekommen. Das bestätigten die drei. Sie sagten, nach dem Auszug der bisherigen Vermieterin im Oktober hätten sie eine neue Kontonummer für die Miete bekommen, die aber falsch gewesen sei. „Und wir konnten das nicht klären, weil wir bis heute weder eine Telefonnummer noch eine Adresse der Hausbesitzerin haben“, sagte Peter K. Er könne die ausstehende Mieter jederzeit zahlen, wenn er denn wisse, wohin. Daraufhin bot ihm der Anwalt der Hausbesitzerin an, sein Konto zu nutzen.
Vergleich abgelehnt
Der Richter sagte, man müsse auch die Interessen der Hauseigentümerin berücksichtigen. Er schlug einen Vergleich vor, der den Mietern ermöglicht hätte, noch zwei Monate in dem Haus zu bleiben. Doch darauf wollten sich die drei nicht einlassen. Peter K.: „Seit der Androhung, dass das Haus abgerissen wird, suche ich intensiv nach einer anderen Wohnung. Aber es gibt einfach keine.“
Ob die drei vorläufig zurück ins Haus dürfen – das will der Richter am Donnerstag bekanntgeben.