Umstrittene Entscheidung in Gütersloh – mit Kommentar
Erstes Luftballonverbot in NRW: Lob vom Naturschutzbund
Gütersloh (WB). Die Stadt Gütersloh wird zur ersten luftballonfreien Zone Nordrhein-Westfalens. Die Entscheidung des städtischen Umweltausschusses trifft auf Unverständnis, wird aber auch begrüßt.
Von Stephan RechlinDas vom Ausschuss beschlossene Verbot, gasbefüllte Luftballons aufsteigen zu lassen, bezieht sich nur auf öffentliche, nicht aber private Flächen. Auch dürfen mit Luft befüllte Ballons weiter verwendet werden.
Dennoch bedeutet es, dass weder zu Grundschul- noch zu Kindergartenfesten weiterhin Ballons mit Namenskärtchen auf die Reise geschickt werden dürfen. Sogar die traditionelle Ballonaktion zur Gütersloher Michaelis-Kirmes Ende September wird untersagt.
Anregung einer Bürgerin
Der Gütersloher Umweltausschuss folgte mit seinem Beschluss der Anregung einer Bürgerin, wonach nicht abbaubares Ballongummi, Schnüre und Verschlüsse die Umwelt verschmutzen und das Leben von Tieren bedrohen. Im Ausschuss regte sich kein Widerstand. Auch CDU-Mitglieder, bei denen zunächst skeptische Mienen zu beobachten waren, simmten schließlich zu.
Sonja Wolters, die Leiterin des Fachbereichs Umwelt in der Stadtverwaltung, billigt Gütersloh damit eine Vorreiterrolle zu: »Die Europäische Union hat bereits die Verwendung von Trinkhalmen, Einweggeschirr, Wattestäbchen und dünnen Plastiktüten bis 2021 untersagt. Ich gehe fest davon aus, dass Luftballons folgen werden.«
Protest bei Facebook
Protest hagelt es dagegen in den Facebook-Foren des WESTFALEN-BLATTES. Ein Leser schimpft: »Schwachsinn! Klaut den Kindern die Ballons, aber lasst die Aidas weiter fahren. Und das Duale System kassiert weiter und entsorgt in Indonesien!« Ein anderer Nutzer schreibt: »Es gibt keine rechtliche Vorgabe. Und nur weil die Umweltabteilung von etwas ausgeht, wird ein kommunales Verbot erlassen? Da wiehert der Gütersloher Amtsschimmel aber gewaltig.«
Die Stadtschulpflegschaft will beim Bürgertag am Wochenende darüber diskutieren lassen, und ein Diskussionsteilnehmer entwirft ein Zukunftsszenario: »2025, irgendwo in der EU, gegen die grüne Gesinnungsdiktatur, hat sich ein Schwarzmarkt für Kindergeburtstage, mit Ballons & Trinkhalmen, entwickelt...«
»Richtiges Signal«
Dagegen begrüßt der Naturschutzbund in Nordrhein-Westfalen die Gütersloher Entscheidung als »richtiges Signal«. Sprecherin Birgit Königs nennt den Beschluss konsequent und beispielhaft. Private Unternehmen, für die das Verbot von Ballonmassenstarts – etwa bei Jubiläumsfeiern – ja nicht gelte, könnten freiwillig sicherlich ebenfalls umweltfreundliche Alternativen finden. Sie schlägt das Pflanzen von Bäumen vor.
In Elmshorn in Schleswig-Holstein wurde im Dezember zur Weihnachtswunsch-Aktion freiwillig auf Luftballons verzichtet. Sie wurden durch Schaumherzen ersetzt – Wolken aus Seifenlauge, die durch Helium leuchten, wenn sie schweben.
Kommentar von Stephan Rechlin
Noch im Frühjahr flatterten mitten in der Gütersloher Innenstadt viele hundert bunte Luftballons von Girlanden, um ein fröhliches Einkaufserlebnis herbeizuschmücken. Damals wurde die Marketing-Aktion ausdrücklich begrüßt. Keine fünf Monate später verstößt sie gegen einen neuen Paragrafen in der Ordnungssatzung.
Den Kindern in Grundschulen und Kitas ist es noch am leichtesten zu erklären, warum sie keine Luftballons mit Namenskärtchen dran mehr steigen lassen sollten. Erwachsene haben es schwerer: Warum hier Ballonverbote verkünden, wenn in Brasilien und in afrikanischen Staaten gerade der halbe Regenwald abbrennt?
Gummireste von Luftballons sind eine tödliche Gefahr für Vögel, nicht nur in Australien und Neuseeland, wo es wissenschaftlich nachgewiesen wurde, sondern auch bei uns. Alternativen aus Naturkautschuk können noch lange aufgepickt werden, bevor sie sich zersetzen. Ist ein toter Vogel den Spaß wert?